Thema: blaulicht

Pistorius: keine vermehrten Straftaten durch Flüchtlinge

In einer aktuellen Stunde zur aktuellen Sicherheitslage in Niedersachsen stellte Innenminister Boris Pistorius am Mittwoch klar, dass sich die Straftatenquote im Lande durch die Anwesenheit von Flüchtlingen keinesfalls erhöht habe. Massiv erhöht haben sich dagegen rechtsorientierte Straftaten.

In seiner Rede zur aktuellen Sicherheitslage bezog sich Innenminister Boris Pistorius nicht in erster Linie auf die Vorfälle in Köln, sondern ausdrücklich auch auf Anschläge von Paris sowie die wiederholten, verstärkten Angriffe von Rechtsextremisten auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte.  

"Die widerwärtigen Taten ... sind auf das Schärfste zu verurteilen. Und, was genauso wichtig ist: Wir müssen sie konsequent verfolgen, unabhängig davon, welcher Herkunft der oder die Täter sind," so Pistorius in seiner Rede. "Die Richtung für die Zukunft muss deshalb weiter lauten: Hinsehen, konsequent handeln, aber bitte nicht hyperventilieren!" Dies sei der richtige Weg, wenn der Staat zeigen wolle, dass er die sicherheitspolitischen Herausforderungen dieser Zeit bewältigen kann. "Wenn wir konsequent und entschlossen, aber auch sachlich angemessen vorgehen, dann ist das der beste Weg, für ein friedliches Zusammenleben," ist Pistorius Überzeugung.   

Um dies zu gewährleisten habe die Polizei zunächst ihre Auswertungsstrategie erweitert. Seit November wird mit einem "spezifisichen Auswertungsmerker mit Flüchtlingsbezug" der Anteil der Straftaten durch "Flüchtlinge" in den Statistiken dargestellt. 

"Nach erster, ich betone, vorläufiger Bewertung der Zahlen, die uns bisher vorliegen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass Flüchtlinge keinesfalls in einem unverhältnismäßig hohen Umfang als Tatverdächtige von Straftaten registriert werden," berichtete Pistorius. "Es ist vielmehr so, dass nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge überhaupt polizeilich in Erscheinung tritt. Zu diesem Ergebnis kommt übrigens auch das BKA in seiner gesondert durchgeführten Studie im Kontext von Kriminalität und Zuwanderung."

In Niedersachsen wurden nach Pistorius' Darstellung in den Monaten November und Dezember nach einer vorläufigen Bewertung insgesamt 87.371 Straftaten begangen. Nicht mitgezählt sind hierbei spezielle ausländerrechtliche Verstöße. In 3.060 dieser mehr als 87.000 Fälle wurden Flüchtlinge als Tatverdächtige ermittelt, das entspricht etwa 3,5 Prozent aller Fälle. Bei einem Großteil dieser Fälle handele es sich um Diebstahlsdelikte, so Pistorius.

Auch die Form von sexueller Gewalt im Kontext von Großereignissen, wie sie unter anderem in Köln stattgefunden haben, wurde in Niedersachsen bislang nicht registriert, so Pistorius. "Allerdings werden vereinzelt Straftaten natürlich auch mit sexuellem Bezug verzeichnet, bei denen Flüchtlinge als Tatverdächtige ermittelt wurden."

Das LKA erfasste auch die Straftaten, die sich gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte richten. In Niedersachsen gab es seit dem 1. Januar 2015 110 Straftaten dieser Art. Dies ist ein enormer Zuwachs, nachdem es im Jahr 2014 nur acht entsprechende Straftaten gab - genauer gesagt: rechtsorientierte Straftaten haben sich um das 10fache erhöht.

Bei 89 dieser 110 Fälle aus dem letzten Jahr liegt eine rechte Tatmotivation vor. Bei diesen Taten handelt es sich überwiegend um Volksverhetzungen, Sachbeschädigungen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Und anderem gab es auch einen Brandanschlaf auf eine Flüchtlingsfamilie in Salzhemmendorf.

Pistorius ergänzte weiter, dass das sogenannte „Antanzen" eine auch in Niedersachsen festzustellende, vergleichsweise aggressive Variante des Trick- bzw. Taschendiebstahls ist. Das Landeskriminalamt habe für das vergangene Jahr in einer sehr aufwändigen Analyse landesweit 375 so genannte „Antanzfälle" festgestellt, so Pistorius. Bei 160 der insgesamt 501 ermittelten Tatverdächtigen wurde eine Nationalität registriert. Am häufigsten wurden Tatverdächtige aus Algerien (76) und Marokko (35) ermittelt. 

Pistorius fasste zusammen: "Wir haben Grund zur Wachsamkeit, wir haben in mehreren Fällen auch Grund zum Einschreiten, aber wir haben gerade in Niedersachsen aktuell keinen Grund zur Panik und wir haben auch keinen Grund, Flüchtlinge pauschal zu verdächtigen, Straftaten zu begehen. Vielmehr gilt es, Straftaten konsequent zu verfolgen, egal wer sie begeht und welcher Herkunft die mutmaßlichen Täter sind."

Wie sieht es in Lüchow-Dannenberg aus?

Polizeisprecher Kai Richter bestätigte gegenüber wnet die Einschätzung des Innenministers, dass sich die Anzahl der Straftaten durch den Zuzug der Flüchtlinge nicht erhöht habe. "Wir hatten natürlich Einzeltäter, die auffällig geworden sind," so Richter. Wie zum Beispiel eine rund 10-köpfiger Tätergruppe in Bad Bevensen, die für viele der dort gemeldeten Straftaten verantwortlich war.

Ansonsten seien "Flüchtlinge" bzw. Migranten allenfalls durch Ladendiebstähle bzw. Körperverletzungen untereinander aufgefallen.

Die offizielle Kriminalstatistik wird allerdings derzeit noch erarbeitet und wie üblich erst im Februar vorgestellt.

Foto / Gerhard Ziegler: Mit Transparenten und roten Rosen bedankten sich Flüchtlinge in der Notunterkunft Lüchow bei einem Besuch im November bei Deutschland, Lüchow und all den Helfern, die sich um sie kümmern.



2016-01-21 ; von asb (autor), pm (autor),
in Niedersachsen, Deutschland

blaulicht   polizei  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können