Thema: ukraine

"Wir bereiten die Zukunft vor"

Kürzlich besuchte eine Gruppe ukrainischer Landwirte und Vertreter vom Ministerium, Agrar-Universität und -Schule aus der Region Vinnytsia verschiedene landwirtschaftliche Betriebe in der Region. Mit neuem Know How wollen sie in ihrem Heimatland eine Zukunft nach dem Krieg vorbereiten. 

Die Lage von ukrainischen Landwirten ist dramatisch schlecht. Wichtige Vertriebswege stehen nicht mehr zur Verfügung - der Seeweg ist durch russische Militärschiffe blockiert, die Möglichkeit, Waren mit der Bahn zu transportieren, ist arg begrenzt. Treibstoff und Saatgut sind knapp und kaum bezahlbar. 

Dennoch: in der Region Vinnytzia in der Zentral-Ukraine geben die Landwirte nicht auf. Vergangene Woche besuchte eine Delegation aus dem Oblast Vinnytsia das Wendland. Ein Hauptgrund für die Expedition: Know How über ökologische Anbaumethoden sowie neue Technologien bekommen und die Vorbereitung konkreter Kooperationsprojekte fortsetzen.   

Vinnytsia - eine landwirtschaftlich geprägte Region

Vinnitsya liegt zentral in der Ukraine, 180 km südwestlich von Kiew und 500km von der Ostfront entfernt - eine Stadt mit 400 000 Einwohner, die derzeit 200 000 Geflüchtete beherbergt, davon mehr als 100 000 Kinder.    

Ein Agro-Cluster, eine landwirtschaftliche Genossenschaft, an der zahlreiche selbständige Landwirte aus der Region beteiligt sind, bewirtschaftet ca. 80 000 ha. Über die Genossenschaft kaufen die Landwirte gemeinsam notwendige Gerätschaften oder Saatgut ein und vertreiben ihre Erzeugnisse. 

"Wir haben viele Kunden im Ausland verloren," sagt Volodymyr Schevchuk, Vertreter des Landes-Agrarministeriums des Oblast, der mit der Delegation in Lüchow-Dannenberg war. "Jetzt verkaufen wir mehr innerhalb des Landes und Richtung Westen. Aber das reicht nicht und es fehlen eigene Verarbeitungsbetriebe.   " Diese Einnahmen bleiben bei Betrieben, die nicht von Landwirten betrieben werden.

Trotz Mangelwirtschaft und düsteren Perspektiven bereitet ein Bündnis aus Landwirtschaftsministerium, Landwirten sowie der Agrar-Universität und der landwirtschaftlichen Schule bereits die Zukunft nach dem Krieg vor. Ein Ziel des Besuchs: Mehr Informationen, Know How und Erfahrungen für ein Modellprojekt für ökologische Landwirtschaft mit der Ausrichtung auf EU-Kompatibilität zu sammeln. Davon versprechen sich die Landwirte neue Absatzmärkte. Ein Projekt für die Zukunft nach dem Krieg. 

Neues Wissen über Anbauformen, Technologien und EU-Recht

Bereits seit den 90er Jahren organisiert Dr. med. Ralf-Peter Oelsner (Lüneburg Hilfsprojekt Ukraine e.V. ) in Bleckede Hilfstransporte in die Ukraine. Inzwischen hat Oelsner dort viele Freunde und kennt sich im Land gut aus. Er weiß, wie schwierig die Situation für die Landwirte dort ist.   Mit dem von ihm und anderen gegründeten Verein Hilfsprojekt Ukraine e.V. wurden allein letztes Jahr 10 Transporte - teilweise bis an die Front geschickt. 

Gemeinsam mit den Landwirten Monika und Eckart Tietke aus Groß Breese und der ehemaligen EU-Abgeordneten und langjähriger Ukraine-Kennerin Rebecca Harms entstand die Idee, Landwirte in das Wendland einzuladen, mit ihnen ausgewählte ökologisch arbeitende Produktions- und Verarbeitungsbetriebe zu besuchen und Know How auszutauschen. 

Gekommen ist eine Delegation aus neun Personen - einige Landwirte sowie Vertreter des dortigen Landesministeriums, einer Landwirtschaftlichen Universität sowie einer Landwirtschafts-Schule. 

Neben dem Besuch des Landwirtschaftlichen Bildungszentrums der Landwirtschaftskammer in Echem und dem Besuch verschiedener Betriebe konnte die Delegation sich mit Hannes Lorenzen, Experte in EU-Fragen in Sachen Landwirtschaft über die aktuellen Vorgaben und Finanzierungsmöglichkeiten der EU austauschen.

Konkrete Kooperationsprojekt für Gegenwart und Zukunft 

Schon vor der Reise geplant und bei dieser Expedition konkretisiert: Kooperationsprojekte mit der Landesregierung und dem Agrocluster. 

Einige Projekte sind bereits fest verabredet: 

  • im Mai werden 10 Landwirtschafts-Schüler und -Lehrer für einige Zeit das LBZ besuchen. 
  • Einige Kfz-Auszubildende gehen in VW-Werkstätten und in die Berufsbildenden Schulen in Lüchow
  • 14 Ärzte der Universität und des Pyrogova Krankenhaus in Bar werden in hiesigen Kliniken - zum Beispiel im HGZ Bad Bevensen hospitieren.

Ralf-Peter Oelsner wird selber 100 000 Euro investieren, mit denen im Oblast Flächen angekauft werden sollen. "Dort soll zunächst Ackerbau betrieben werden," so Oelsner. "Das wäre dann eine der ersten Flächen, auf denen ökologischer Ackerbau nach EU-Kriterien stattfindet." Dabei geht es unter anderem darum, Mehrfruchtfolgen zu etablieren." Denn Getreide wird meist in Monokultur angebaut, Mehrfruchtfolgen sind nahezu unbekannt." Ich bin optimistisch, dass das klappt," ist Oelsner überzeugt. "Die Akteure sind da. Sie wollen hier lernen und das Wissen in der Ukraine umsetzen". 

Ein weiteres konkretes Projekt ist, 30 Angusrinder anzuschaffen, deren Haltung und Zucht zunächst in der Agrar-Universität von Vinnytsia erprobt und entwickelt wird. Fünf dieser Rinder gehen an die landwirtschaftliche Schule - dort wird die praktische Haltung erkundet. 

Schon allein die Tatsache, dass der Landwirtschaftsminister des Oblast mit in das Wendland gekommen ist, zeigt, wie hoch das Kooperationsprojekt in Vinnytsia angesiedelt ist.  Große Dankbarkeit zeigte nicht nur Volodymyr Schevchuk  dafür, dass es "Menschen gibt, die sich für die Ukraine interessieren. 

Trotz aller Grauen und Probleme sind die Landwirte voller Tatendrang. "Wir bereiten eine friedliche Zukunft vor, öffnen die Türen für neue Wege," sagt Volodymyr Schevchuk. Ein Satz, für den er bei den Umsitzenden deutlich zustimmendes Kopfnicken erntete.

Fotos| Rebecca Harms









Fotos

2023-03-24 ; von Angelika Blank (text),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

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