Spätestens seit der Einrichtung der ersten Notunterkunft in Lüchow dominiert in Lüchow-Dannenberg die Flüchtlingsthematik die öffentliche Diskussion. Aber auch in anderen Bereichen wurden dieses Jahr wegweisende Entscheidungen getroffen - auch wenn die Ziele der Wege nicht immer klar zu erkennen sind.
Von Hochwasser blieb der Landkreis dieses Jahr völlig verschont - im Gegenteil: monatelang herrschte eine derartige Trockenheit, dass der Schiffsverkehr auf der Elbe völlig eingestellt werden musste. Auch für die Landwirte wurde der trockene Sommer zu einem ernsten Problem - nur durch massive Beregnung konnten die Ernten gerettet werden.
Die bösen Erinnerungen an das Sommerhochwasser im Jahre 2013 hielten die Hochwasserschützer jedoch auch dieses Jahr auf Trab. Hochwasserschutz-Managementpläne wurden weiter ausgearbeitet und Deiche für besonders kritische Bereiche wie bei Wussegel oder Vietze weiter entwickelt.
In Vietze ging bereits im Januar der Streit um die geplante Abholzung vieler Weiden weiter ... Mehr dazu: click hier!.
Immerhin konnten die Gegner der Abholzung einen kompletten Kahlschlag verhindern. Rund 40 Bäume blieben stehen. Doch die Folgen der Abholzungsaktion beschäftigen Behörden und Anwohner bis heute: teils 2 m hohe Stubben blieben stehen, das Gestrüpp am Ufer wurde bisher nicht entfernt. Der Landkreis und die Biosphärenreservatsverwaltung stritten sich bis zum Spätherbst darüber, wer denn nun für die Restarbeiten, die immerhin rund 50 000 Euro kosten, zuständig sei.
Die Weiden interessierte das Behörden-Gerangel nicht weiter. Bereits einige Wochen nach der Abholzung schlugen sie fröhlich wieder aus und entwickelten sich bis zum Herbst zu hübschen kleinen Kopfweiden. Der Sinn der Rückschnitt-Aktion - die Offenhaltung der Abflusswege - wurde so ad absurdum geführt.
Behördengerangel führte auch zu Verzögerungen beim Deichbau in Vietze. Nach langem Hin und Her über den Durchmesser einer Drainageleitung durch den Deich konnte in dem vom Hochwasser massiv betroffenen Ort im Dezember endlich der erste Spatenstich für den Deichbau gesetzt werden. ... Mehr dazu: click hier!
Keine Güterbahntrasse durch den Landkreis
Für Aufregung sorgte im Februar der Vorschlag von Dr. Rudolf Breimeier, die von der Deutschen Bahn intensiv geforderte neue Güterbahntrasse über Lüneburg und Dannenberg gen Osten zu führen. ... click hier! Prompt formierte sich eine Widerstandsgruppe, die Vertreter in das Dialogforum Schiene Nord entsandte.
Nach mehreren kontrovers geführten ganztägigen Sitzungen entschied sich das Dialogforum dann aber im November mehrheitlich für die sogenannte "Alpha-Variante". Die Sorge, dass womöglich rund 140 Güterzüge pro Tag an Dannenberg vorbei rauschen könnten, blieb also unberechtigt. ... click hier!
Widerstand gegen Windkraft wächst
Die Ankündigung des Landes, dass jede Kommune, jeder Landkreis "substanziellen Raum" für Windkraft schaffen müsse, rief die Gegner dieser regenerativen Energieform auf den Plan. Neue Initiativen formierten sich und protestierten im Kreistag u.a. mit dem Argument, dass die Windkraft "gegen die Menschenwürde" verstoße.
Ob dieses massiven Bürgerprotestes tat sich der Kreistag schwer, der aus rechtlichen Gründen von der Verwaltung vorgeschlagenen Erweiterung der Vorranggebiete für Windkraft zuzustimmen. Dabei wollte die Verwaltung nur, dass all die vorher vom Kreistag im Februar 2014 per Beschluss ausgeschlossenen Vorranggebiete durch eine Einzelfallprüfung rechtssicher ausgeschlossen werden. Auch einige Bürgermeister befürchteten eine Nicht-Genehmigung des Regionalen Raumordnungsplans durch das Land, wenn nur der 2014 gefasste Kreistags-Beschluss als Begründung für die Ablehnung weiterer Windkraftgebiete angeführt würde. Ungeregelter Wildwuchs wäre die Folge, warnten Verwaltung und Bürgermeister unisono. Ein wnet-Kommentar zu diesem Thema ... click hier!
Für Gorleben siehts düster ausFast unbemerkt von der Öffentlichkeit diskutierte unterdessen die Endlagerkommission das weitere Vorgehen in der Standortsuche. In der Endlagerkommission wird der Begriff "bestmöglich" diskutiert, wobei den Energiekonzernen nahestehende Mitglieder der Kommission lediglich die Anforderungen aus dem Atomgesetz (§ 7: ... ist genehmigungsfähig, ... wenn die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist") für die "bestmögliche Sicherheit" zu Grunde legen wollen. ... click hier!
Außerdem gehen verschiedene Mitglieder der Kommission davon aus, dass die Frage der Geeignetheit weniger vom Standort als von geeigneten Konzepten abhängig ist. Aussagen, die schon zu früheren Zeiten für Unruhe unter Gorlebengegnern sorgten.
Januar: Die Klage des Energiekonzerns e.on gegen die Aus für die Erkundungen im Salzstock Gorleben ist nur der erste Vorgeschmack einer Klagewelle, die die Energieunternehmen indirekt durch ein im November der Endlagerkommission übersandtes Rechtsgutachten androhen. Auf 144 Seiten skizziert das sogenannte "Freshfields-Gutachten" warum die Überführung der 38 Milliarden hohen Rückstellungsgelder in einen öffentlichen Fonds aus mehreren Gründen rechtswidrig sind. In dem Gutachten wird sogar die Verfassungsmäßigkeit des gesamten Standortauswahlprozesses in Frage gestellt. ... click hier!
In diesem Zusammenhang ist auch der Versuch Energiekonzern-naher Kommissionsmitglieder zu sehen, den gesamten Themenkomplex "Klagen der Energieunternehmen" aus der Endlagerkommission herauszunehmen und in einer von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin geführten Finanzkommission diskutieren zu lassen. Diesen Versuch wehrte Klaus Brunsmeier, stellvertretender Vorsitzender des Bund für Naturschutz Deutschland, durch Feststellung der Beschlussunfähigkeit in der Novembersitzung jedoch (vorerst) ab.
Und dann kamen die Flüchtlinge
Rund 200 Flüchtlinge waren im Laufe des Jahres schon auf verschiedene Orte im Landkreis verteilt worden. Überall bildeten sich Hilfsgruppen, die den Zugereisten umfangreiche Hilfe und Unterstützung bei ihren ersten Schritten in Deutschland boten. Seitdem verändert sich das Leben in den Dörfern. Die Schulbusse werden voller, so manche Gemeinde begann, ihre Schließungspläne für kleine Schulen zu überdenken und nicht nur pensionierte Lehrer fanden neue Aufgaben.
Mit der Einrichtung von insgesamt drei Notunterkünften in Lüchow, Dannenberg und Woltersdorf verschärfte sich die Unterstützungs-Notwendigkeit noch einmal. Insgesamt 1500 Menschen der verschiedensten Nationen wollen versorgt und unterstützt werden. Deutschunterricht, Kleiderversorgung, Hilfe bei Schwangerschaft und Krankheit, Freizeitangebote und nicht zuletzt Beratung und Unterstützung bei Behördengängen - so viele Aufgaben sind im Zusammenhang mit den Notunterkünften zu bewältigen, dass dies nur mit Unterstützung vieler, vieler ehrenamtlicher Helfer gelingt.
Und die finden sich im Wendland auf bewundernswerte Weise in einer solchen Anzahl, dass es jede/n WendländerIn nur mit Stolz und Anerkennung erfüllen kann. Die Fragen "Wir suchen..." oder "wer hat noch ..." gehören seit Monaten zum alltäglichen Gespräch.
Was sonst noch geschah
Tourismus/Regionalvermarktung: Alle Versuche, gemeinsam mit den touristischen Anbietern aus dem Landkreis Konzepte für eine veränderte Regionalvermarktung aufzustellen, schlugen fehl. Im Frühjahr sprach Landrat Schulz dann ein Machtwort und kündigte die Vergabe der touristischen Vermarktung an eine externe Firma an. Nachdem der Vertrag mit der bisher tätigen Elbtalaue-Wendland-Touristik zum 31.12.2015 gekündigt worden war, sollte nun eine neue Marketing-Gesellschaft gefunden werden.
Unter den Samtgemeinden löste dieser einsame Beschluss zwar Verärgerung aus. Angesichts der Hilflosigkeit der Akteure akzeptierten die Verwaltungsleute das geplante Vorgehen dann aber schnell - zumal bisher gezahlte Anteile an die Marketinggesellschaft zunächst in ihre Kassen zurück wandern.
Eigentlich soll der Betrieb der neuen Tourismusgesellschaft (die Firma Compass aus Köln hat den Zuschlag erhalten) am 1. Januar losgehen. Bis zum heutigen Tage (30.12.2015) sind aber noch keine konkreten Konzepte bekannt geworden, wie die Neuaufstellung des Tourismarketings, die Arbeit des Rundlingsmuseums oder das Tourismus-Center in Lübeln fortgeführt werden sollen. Ein sogenannter "Findungskonkress" sollen Ende Januar mit Gemeinden, Anbietern und anderen im Tourismusbereich Tätigen mögliche Handlungswege besprochen werden.
Neu ausgeschrieben wurden auch die Aufgaben der Wirtschaftsförderung. Den Zuschlag erhielt die Süderelbe AG, die durch bereits vorhandene Einbindung des Landkreises in die Metropolregion Hamburg "regionales
Wirtschaftswachstum im Landkreis befördern" will. ... click hier!
Sonstiges:
... Im Januar erhielt Edward Snowdon den Pass der "Republik Freies Wendland". Ob der amerikanische Whistleblower dieses "Asylangebot" überhaupt zur Kenntnis nahm, ist unbekannt.
... Februar: Nach Monaten im Stall durften Hühner, Enten und Gänse endlich wieder frische Luft genießen. Die wegen drohender Vogelgrippe verhängte Stallpflicht wurde aufgehoben..... Frühjahr/Sommer: mit "Aktionen gegen den Leerstand" versuchten verschiedene Initiativen, durch kreative Maßnahmen gegen viele leerstehende Geschäfte in Lüchow anzukämpfen. Immerhin: das ein oder andere Ladengeschäft konnte durch die Aktionen wieder vermietet werden - zumindest für einige Monate. Andererseits schlossen erneut tradierte Geschäfte wie das Fotogeschäft Kleinau. Auch diesen Unternehmer plagten zunehmende Einkäufe über das Internet.
Das "Kaufhaus des Wendlands" hingegen konnte im Sommer auf eine 10-jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken. Rund ein Dutzend Kunsthandwerker aus der Region hatten sich damals zu einer Ladengemeinschaft zusammengeschlossen und bieten seitdem regional gefertigtes Handwerk und Spezialitäten in einem Ladengeschäft am Dannenberg an.
Die "regionale Markthalle" jedoch, die in Dannenbergs Langer Straße ebenfalls regionale Produkte anbietet, hat bis heute Schwierigkeiten, sich durchzusetzen.
März: Der umstrittene Umbau der Wendland-Therme ist abgeschlossen. Mit einiger Verzögerung und nach diversen Bauproblemen wird das neue Wellnessbad mit ausgebauter Saunalandschaft wiedereröffnet. ... click hier!
April: Mangelhafte Tragzapfen an Castorbehältern beschäftigen die Niedersächsische Atomaufsicht. Betroffen sind auch rund 70 Behälter im Gorlebener Castorlager. Ein Probleme entstehe allerdings erst, wenn die Behälter wieder bewegt werden müssten, beruhigen Sprecher der Betreiber des Zwischenlagers. Aufwändige Prüfungsprozesse werden eingeleitet. ... click hier!
Die Region kann wieder auf Millionen aus Europa rechnen. Erneut wurde Landkreis als LEADER-Region anerkannt. Mit Millionenschweren Zuwendungen können nun wieder Regionalentwicklungs-Projekte umgesetzt werden.
Mai: "Problemwölfe" und zunehmende Wolfssichtungen sorgen für Unruhe in der Bevölkerung. Das Umweltministerium kommt unter Druck und richtet eine eigenes Wolfsmanagement-Büro ein. Die Förderung von Herdenschutzhunden und wolfssicheren Weidezäunen wird ausgeweitet.
Juni: Die geplanten Kosten für die Elbbrücke in Neu Darchau explodieren. Im Juni beerdigt dann der Lüneburg Kreistag gegen den Protest der CDU das ehrgeizige Projekt. ... click hier!
Juni: der Kreistag lehnt die vom Land geforderte Einführung der Biotonne ab. Für die mehrheitlich mit eigenen Komposthaufen ausgestatteten Landbewohner in der Region würde die Einführung der Biotonne eine rund 30%ige Erhöhung der Abfallgebühren zur Folge haben, erläuterte Fachdienstleiter Martin Unterste-Willms vor dem Kreistag. Ob das Land die Verweigerung des Landkreises allerdings akzeptieren wird, bleibt offen. ... ein wnet-Kommentar dazu: click hier!
... Der ehrgeizige Plan der Bundesregierung, auch abgelegene Regionen mit schnellen Internetanbindungen auszustatten, gestaltet sich schwierig. Die Kostenberechnungen ergeben, dass die mehrere Millionen schweren Investitionen vom Landkreis nicht zu schultern sind - die bisher genannten Fördersummen reichen für eine Vollfinanzierung nicht aus. Bürger müssen mit hohen Anschlussgebühren rechnen.... Auf den wendland-shorts, dem Kurzfilmfestival in Salderatzen, präsentieren sich drei Regisseure, die im August in Los Angeles den Studenten-Oskar entgegen nehmen können ... click hier!
... Der Zinnen-Skandal von Lüchow: Die Sanierung des Amtsturms in Lüchow führt im Sommer zu einer wilden Debatte: einzelne Lüchower Bürger sehen durch einen Baufehler in der Zinne die "Silhouette der Stadt" gefährdet. Mehrere Seiten widmet die regionale Tageszeitung dem "Skandal" - mit dem Ergebnis, dass der verantwortliche Redakteur auf einer weiteren Seite diverse Unrichtigkeiten richtigstellen muss. Was war passiert? Die obere Zinne des Amtsturms war um einige Grad verdreht worden. Der verantwortliche Architekt hatte den Fehler sofort eingeräumt und Korrektur angeboten. Trotzdem wurde der "Zinnen-Skandal" zu einem wochenlangen Thema in Zeitung und Stadtrat.
... Die Vertriebsgesellschaft der Neuland-Bauern der Region muss im Juli Insolvenz anmelden. Neuland-Schlachtereien und -landwirte blicken sorgenvoll in die Zukunft. Wer soll ihnen in Zukunft Neuland-Fleisch liefern? Wie sollen die schlachtreifen Tiere aus Neulandhaltung vermarktet werden, wenn die Vertriebsgesellschaft nicht mehr existiert. Zum Ende des Jahres wird dann bekannt, dass wohl eine neue Gesellschaft die Geschäfte übernehmen soll.
Und last but not least: Die 16 Blitzer, die der Landkreis vor einiger Zeit aufstellen ließ, um den Haushalt in die Pluszone zu bringen, erweisen sich als teure Angelegenheit. Denn die Autofahrer machen den Haushaltsstrategen einen Strich durch die schöne Rechnung: sie fahren im Bereich der Blitzer einfach zu langsam. Also sanken die Bußgelder im Jahre 2015 um 120 000 Euro. Zudem kosten die elektronische Geräte jährlich sechsstellige Summen, um sie in Ordnung zu halten.
Die Motivation, selber einen aktiven Beitrag zum Kreiserhalt zu leisten, scheint nicht weit verbreitet zu sein. Dabei sollte bei 48 000 zugelassenen Fahrzeugen im Landkreis eine kleine einmalige jährliche Fehlleistung, die mit einem Bußgeld von 20 Euro geahndet wird, ausreichen, um die Kreisbilanz in den grünen Bereich zu bringen.
Foto / Angelika Blank: Noch sind sie voller Hoffnung und Dankbarkeit für "Mama" Merkels Bereitschaft sie aufzunehmen: Flüchtlingskinder bei der Weihnachtsfeier in der Notunterkunft Woltersdorf.