Am Montag beschloss der Kreistag den Nachtragshaushalt für 2024. Darin enthalten: Ausgaben für den Ankauf von Gebäuden auf dem ehemaligen Kasernengelände Neu Tramm. Zwei Stunden dauerte die Diskussion über das Für und Wider.
Der Ankauf des ehemaligen Kasernengeländes in Neu Tramm für die Geflüchtetenunterbringung sorgt im Landkreis mittlerweile seit über zwei Jahren für kontroverse Diskussionen. Nach längerem Hin und Her beschlossen die Kreistagsabgeordneten im August 2024 den Ankauf der Immobilie. Mit einer äußerst knappen Mehrheit (20/19) wurde nun am Montag im Kreistag dieser Beschluss indirekt bestätigt: Die Kreistagsabgeordneten genehmigten den Nachtragshaushalt für 2024, der 13 Millionen Euro für den Ankauf von Gebäuden auf dem ehemaligen Kasernengelände in Neu Tramm und für 25 Jahre laufende Kosten für Kredit- und Zinszahlungen in Höhe von rund 600 000 Euro enthält.
Dem Beschluss vorausgegangen war eine zweistündige - teils vehement geführte - Debatte über das Für und Wider des Ankaufs von "Neu Tramm". Als Vergleich hatte die Verwaltung eine Kostenberechnung für den Ankauf und die Nutzung des sogenannten "Container"geländes am Breeser Weg in Dannenberg. Letzteres war nach einer Abfrage der Verwaltung womöglich nutzbarer Alternativen ins Spiel gekommen.
Noch im August waren es drei Optionen, die damals im Ausschuss diskutiert wurden. Mit dabei war auch die Option, den Gebäudekomplex der ehemaligen Übersee-Funkempfangsstelle (ÜFest) zu nutzen. Die Quote kann nur dann erfüllt werden, wenn das Bestandsgebäude
ebenfalls so ertüchtigt wird, dass eine Unterbringung von Menschen
möglich ist. In der damaligen Vorlage wurden für die Sanierung der ÜFest 6,29 Mio. Euro und laufende Kosten von 120 000 Euro kalkuliert. Die Sanierung Neu Tramms war damals als zu erbringende Finanzleistung in Höhe von 13 000 000 Euro dargestellt. Die laufenden Kosten für Neu Tramm beliefen sich nach der Vorlage auf 240 000
Euro.
Der Gebäudekomplex der ÜFest wurde zwar damals als teilweise marode eingeschätzt, aber mit der Bemerkung "durchaus machbar" eingeschätzt. Warum letztere Option dem aktuellen Kreistag nicht vorgestellt wurde, ist bisher unklar. wnet hat dazu eine Anfrage an den Landkreis gestellt - aber bisher noch keine Antwort erhalten.
Für Abgeordnete von SOLI, SPD und Grünen sind die von der Verwaltung vorgelegten Berechnungen nicht seriös. Die Zahlen seien zugunsten Neu Tramms geschönt worden und miteinander nicht vergleichbar. So weist die Kreistagsvorlage zum Beispiel die Kredit- und Zinsrückzahlungen für Neu Tramm mit 727908 Euro aus - berechnet auf 25 Jahre. Für den Komplex Breeser Weg werden dagegen für die gleichen Verbindlichkeiten für den Ankauf Breeser Weg 780 167 Euro Finanzleistungen jährlich aufgeführt - auf 15 Jahre gerechnet.
Zahlreiche offene Fragen
Moniert wurde auch, dass Folgekosten für den Komplex Neu Tramm nicht einkalkuliert wurden. So drohen zum Beispiel hohe Kosten, falls die Ausnahmeregelung, die zur Zeit eine Nutzung ohne baurechtliche Abnahme erlaubt, nicht verlängert wird. 2030
läuft diese aus. Wird sie nicht verlängert, muss für die Nutzung des gesamten genutzte n
Komplexes ein Bauantrag gestellt werden. Das bringt hohe Kosten mit sich,
die noch nicht eindeutig kalkulierbar sind. In einer Kreistagsvorlage für die Sitzung am 19. August wurden für diesen Fall Modernisierungskosten von 13,29 Millionen Euro kalkuliert. Der Gebäudekomplex Breeser Weg stand damals nicht zur Diskussion.
Ein weiterer nicht geklärter Punkt, der ebenfalls in der Verwaltungsvorlage nicht auftaucht, ist die Frage, wie und zu welchen
Kosten die technische Infrastruktur des Geländes neu aufgebaut werden kann,
wenn das Gelände geteilt wird. Bisher sind alle Versorgungsleitungen
und Anschlüsse zentral für die Versorgung des gesamten Geländes eingerichtet.
Nicht zuletzt ist unklar, wie die Landesregierung angesichts des bereits vorhandenen millionenschweren Defizits im gesamten Landkreis-Haushalt auf eine weitere Kreditaufnahme in mehrstelliger Millionenhöhe reagieren wird. Ministerpräsident Stephan Weil hatte kürzlich bei seinem Besuch in Dannenberg auf die Frage, wie er zum Ankauf Neu Tramm stehe, lediglich unverbindlich geantwortet, dass die Kommune für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig sei. Wie sie das regle, sei ihre Sache.
SPD: "Mit dem Ankauf rückt die Zwangsfusion näher"
Für Kurt Herzog (SOLI) war das Vorgehen der letzten zwei Jahre in Sachen Neu Tramm im Wesentlichen ein Blindflug, zurechtgerechnet, „ein schwankendes Chaos und ein Taumel ins Millionengrab. Er erinnerte er daran, dass der Kaufbeschluss nur dann umgesetzt werden sollte, wenn Kompensationsleistungen vom Land kommen. Der Soli-Abgeordnete plädierte für ein flexible Kombination aus angemieteten Räumlichkeiten und sozialem Wohnungsneubau. Grundsätzlich lehnte Herzog eine zentrale Unterbringung ab, plädierte erneut für dezentrale Lösungen.
Kerstin Peters (SPD) warf der Verwaltung ebenfalls vor, mit dem Ankauf die Zukunft des Landkreises zu ruinieren. " Mit jeder Million Schulden mehr rückt die Fusion des Landkreises näher“, so Peters. "Einen Nachtragshaushalt vorzulegen, der Neu Tramm schön rechnet, und den Breeser Weg teurer ist unseriös. In der Wirtschaft würde auf solchen Grundlagen keine Entscheidung gefällt werden". Außerdem könne niemand seriös die Entwicklung der Geflüchtetenzuweisungen vorhersagen.
(Anmerkung: Ob die geforderten 288 Plätze jemals benötigt werden, ist unsicher. Derzeit gehen die Zuweisungen für den Landkreis massiv zurück. Der Geflüchtetenzustrom kann sich in beide Richtungen entwickeln).
Reinhard Siebolds (Grüne) beantragte - ebenso wie Kurt Herzog - Rückverweisung in den Fachausschuss. Seine Begründung: Die vorgelegte Berechnung sei lückenhaft, fehlerhaft und zugunsten Neu Tramm erstellt worden . "Wir haben die Verantwortung für einen sorgfältigen Haushalt und die zumutbare Unterbringung der Geflüchteten ", so Siebolds. "Das ist kein fairer Vergleich. Es geht offenbar nur darum, die besten Argumente für Neu Tramm aufzulisten".
Auch AfD-Abgeordnete Patricia Allgeyer-Reetze setzte sich für ein flexibles System ein, welches dem Bedarf
angepasst werden kann - solides Wohnungsmanagement in Kombination von
gekauften, gemieteten oder neu gebauten Wohnungen flexibles system, was dem bedarf
angepasst werden kann.
Vertreter von CDU, UWG und Bürgerliste waren sich einig, dass es notwendig ist, Neu Tramm als Geflüchtetenunterkunft nutzen zu können. Für Bernhard Fathmann befürchtet, dass die Armutsrate im Landkreis steigen wird, denn bei dezentraler Unterbringung würden viele Wohnungen dem Markt entzogen.
Trotz all der kritischen Argumente stimmten die Abgeordneten dem Nachtragshaushalt mit der denkbar kleinsten Mehrheit von 20 zu 19 Stimmen zu. Das bedeutet, dass die Verwaltung den Kauf des Gebäudekomplexes im Rahmen der beschlossenen Kosten durchführen kann.
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